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10 Thesen zu gesellschaftlicher Transformation

Beitrag | 30. August 2024

Die folgenden 10 Thesen zu gesellschaftlicher Transformation und Sozialer Nachhaltigkeit entwerfen, wie Bürger:innen zu konstruktiven, nachhaltig wirksamen Akteuren des Wandels werden können.

  1. Soziale Nachhaltig steht dafür, dass sich eine Gemeinschaft durch ihre Kultur des sozialen Miteinanders und durch ihre konkrete Lebensweise dauerhaft gute Zukunftsaussichten erwirbt. 
Zeitlich bezieht sich „gute Zukunftsaussichten“ darauf, dass sich jede Generation als verantwortlich auch gegenüber den Menschen begreift, die erst lange nach ihnen geboren werden.

  2. Die multiple Krise – mit der Klima-Eskalation, dem krisenhaften Verlust an Biodiversität, der digitalen Revolution und der politischen Polarisierung der Welt – setzt moderne Gesellschaften unter Transformationsdruck. 
Um diesem Wandel unsrer Existenzbedingungen gewachsen zu sein, müssen wir uns 
selbst wandeln. Alle miteinander. Gemeinschaftlich, als Gesellschaft. 

  3. Ein Großteil der Probleme wird durch die Lebensweise von uns, der Bevölkerung, und besonders durch unser Konsumverhalten verursacht. Die Krise wurzelt tief in den soziokulturellen Üblichkeiten unserer Gesellschaft.

Wir alle sind Betroffene. Schwerwiegende Folgen, die wir selbst verursachen, können wir auch selbst abwenden. Insofern wir uns nicht zu viel Zeit des Zögerns herausnehmen.

  4. Durch Veränderung unserer persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensweise können wir den notwendige Wandel signifikant voranbringen. So ist es uns Bürgerinnen und Bürgern möglich, die Klima-Entwicklung entscheidend zu entlasten, bereits durch die Veränderung unserer Konsumgewohnheiten. 

Die Wirkungsmächtigkeit der Bürger:innen wäre fähig, Enormes sogar in kurzer Zeit zu bewegen – theoretisch: insofern wir uns auf ein gemeinschaftliches Konzept für konstruktives Verhalten im Alltag einigen könnten, und wenn wir diese Vision miteinander konsequent umsetzen würden. Schaffen wir das? 

Wenn eine Soziokultur nicht imstande ist, die Bevölkerung bei existenziellen Herausforderungen für ein zielgerichtetes gemeinschaftliches Handeln zu gewinnen, nähert sich die Soziale Nachhaltigkeit ihrem Ende.

Ein Indiz dafür ist die Auflösung des sozialen Zusammenhalts. Die Gemeinschaft zerfällt in Parzellen, die in Widerstreit geraten und zum kooperativen Lösen großer Probleme kaum fähig sind.

  5. Wir werden als Bevölkerung dazulernen, wie wir als verantwortungsfreudige Bürger:innen einen werteorientierten sozialen Organismus bilden und wie wir Herausforderungen der Krise als starkes „Wir“ viel effizienter und schmerzfreier meistern.

  6. In diesem Sinn müssen wir zu mehr Demokratie fähig werden. Im Leitbild der mündigen Bürger:innen ist dieses Ideal verankert. Dazu gehören persönliche Initiative und gesellschaftliche Mitverantwortung, Engagement für das Gemeinwohl und Zivilcourage, sowie die stetige Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeit, gemeinschaftsbildend wirksam zu sein. 
Die freie Zivilgesellschaft in liberalen Demokratien ist diesbezüglich ein prädestiniertes Trainingsfeld.

  7. Noch fehlt es bislang an Entschlossenheit, Methoden und einem deutschlandweiten instrumentellen Fundament – wie örtliche Kollaborationszentren der Bürgerschaft, die ein flächendeckendes Netzwerk bilden, sowie eine virtuelle Plattform, die der Öffentlichkeit eine Schnittstelle zur Zivilgesellschaft geben. 
So ausgestattet, könnte in großer Gemeinschaft ein offener, kritischer Diskurs zum Wandel geführt werden, lokale und zentrale Herausforderungen würden identifiziert, Ziele gemeinschaftlich definiert und Lösungswege im Konsens entworfen. 
Nicht zuletzt würde in einem solchen hybriden Netzwerk der Zivilgesellschaft die Umsetzung organsiert, kooperativ, in Deutschland und darüber hinaus. 

  8. Dazu sind Schwachstellen und Defekte der Sozialen Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft zu bereinigen, vor allem im Bereich der Soziokultur. Besonders in urbanen Regionen nehmen wir ein hohes Maß an Anonymität hin; in „Hausgemeinschaften“ kennen sich oft Personen nicht, die auf derselben Etage wohnen. Im weiteren nachbarschaftlichen Umfeld, in Quartieren und Stadtteilen, ist Anonymität noch ausgeprägter. 
Um die Bereitschaft zu sozialer Verbindlichkeit ist es in weiten Teilen der Bevölkerung schlecht bestellt, ein Problem, das durch CoVid-Pandemie („Social Distancing!“) noch verstärkt wurde : Die Bereitschaft und Fähigkeit, Kontakte zu pflegen und die Beziehungsbildung ausdauernd zu fördern, muss gestärkt werden.
Dass sich Gruppen aus sich fremden Menschen spontan bilden, um Aufgaben im Gemeinwohl-Interesse im Konsens zu lösen, gelingt vergleichsweise selten. Häufig fehlt es den Mitwirkenden an belastbarem Gemeinschaftsgeist, Empathie und Sozialkompetenz.

  9. Das engagierte, kollaborative Miteinander ist ein wesentliches Element der gesellschaftlichen Transformation, die durch die Multiple Krise notwendig ist.
Gemeinschaftsleben soll eine Freude und erreichbar sein, ohne dass schwierige Hindernisse überwunden werden müssen. In allen Bereichen der Gesellschaft sind entsprechende Lebenswelten einzurichten und soziokulturell förderliche Vorkehrungen und Einrichtungen zu schaffen.

Dazu sind die verschiedensten Maßnahmen erforderlich, von sozialen Impulsereignissen, die Menschen mitnehmen ins Miteinander, über die Entwicklung soziokulturell förderlicher Architektur, die zu sozialen Interaktionen anspornt und Barrieren zum „Wir“ absenkt, bis zu städtebaulichen Strategien, die urbane Regionen als gemeinschaftlichen (!) Lebensraum anlegt.

  10. Eine Kultur der Sozialen Nachhaltigkeit wird maßgeblich dazu beitragen, die menschliche Zivilisation in die natürliche Umwelt einzubetten und die Multiple Krise moderner Gesellschaften zu überwinden. Zugleich können damit Fehlentwicklungen, die u.a. auf die Industrialisierung und Konsumgesellschaft zurückgehen, ausgeglichen werden.

2024-08, Forum für Entwerfen e.V. / R. Habich